ETU Duathlon European Championships Middle Distance Elite

Ursprünglich aufgrund Terminkollision des POWERMAN Austria mit der WM in Canada (mein wichtigster Bewerb 2017), später dann auch aufgrund dessen Absage in diesem Jahr, habe ich nach einer Alternativveranstaltung gesucht. Idealerweise sollte diese auch noch in vernünftigem Abstand zu den Rad-Zeitfahr-ÖSTM liegen, um das Training entsprechend abstimmen zu können.
Meine Überlegung beim POWERMAN ist jene, dass ich durch diesen Überdistanzwettkampf (in Relation zu meiner Hauptstrecke) und der Radlastigkeit (es sind keine Draftingrennen) an meinen Schwächen arbeiten kann. Außerdem ist es sehr angenehm, schöne Rennen ohne Erfolgsdruck zu bestreiten, weil man weiß, es sind maximal Zubringerleistungen, aber es wird kein Saisonhöhepunkt sein.

Der POWERMAN St. Wendel hat hervorragend in die Planung gepasst. Leider recht weit von Wien entfernt (8-9 Autostunden, je nach Verkehr, und den gibt es zur Genüge ...), aber von der Distanz her perfekt (10 - 60 - 10, wurde zunächst als Langdistanz, später als Mitteldistanz betitelt).
Ein attraktives Detail: Es waren sogar Europameisterschaften. Das bedeutet auch, dass das Rennen deutlich besser besetzt sein wird, nicht zuletzt auch aufgrund des höheren Preisgeldes.

Es mag komisch anmuten, wenn man eine EM als Aufbauwettkampf nutzt, aber wenn man in einer (anderen) Disziplin ziemlich gut werden will, muss man einfach Prioritäten setzen.
Das heißt ja nicht, dass man nicht trotzdem am Wettkampftag alles gibt.
Es war nur nach meinem ersten Saisonhöhepunkt vor drei Wochen einfach sehr wenig Zeit für das Training am Zeitfahrer. Der ist auch ein Dreivierteljahr gar nicht von mir genutzt und erst vor zwei Wochen wieder fahrtüchtig hergerichtet worden. Prinzipiell fahre ich gerne damit, auch hügelig ist Dank guter Übersetzung kein Problem, nur die tiefe Position am Auflieger ist muskulär einfach extrem ungewohnt und kann insbesondere bei einem langen Rennen mühsam werden.

Leider habe ich mir durch die unwohnte Haltung dann auch noch etwas Knieprobleme geholt (dabei bin ich eigentlich fast nur Grundlage und ein bisschen Richtung Sweet Spot, maximal Schwellenleistung gefahren, da ich nach der letzten EM erstmal wieder leichtere Trainings machen wollte). Die Ursachenforschung und Anpassung der Satteleinstellung hat leider dann auch wieder eine Woche gedauert und so war ich vor dem Rennen etwas unsicher, ob das Problem tatsächlich aus der Welt ist. Mit Schmerzen Sport zu machen macht ja überhaupt keinen Sinn.

Die Streckenbesichtigung am Vortag aber hat meine Vorfreude auf den Bewerb nochmal deutlich angehoben. Die Radstrecke eignet sich über weite Strecken sehr gut für den Zeitfahrer, hat allerdings zwei bisschen längere Anstiege (einmal fürs Rennen geschätze 6min, einmal noch etwas kürzer), doch dazwischen geht es eigentlich ständig entweder rauf oder runter. Viele kurze Schupfer zum Drübertreten machen die Belastung sehr unrhythmisch - das ist etwas, das man im Wienerwald eigentlich nicht so gut trainieren kann und es wäre natürlich von Vorteil, solche Strecken im Training zu üben. Aber prinzipiell bin ich glücklich über die vielen Hügerln, die nehmen mir auch die Befürchtung, dass mir der Nacken wegen der ungewohnten Position nach einer von drei Runden einfach abreisst :D
Außerdem kann man als technisch guter Radfahrer die vielen Kurven auch gut zum Vorteil gegenüber der Konkurrenz nutzen.
Bezüglich des Pacings müsste man halt echt aufpassen, sich zu sehr zu harten Antritten hinreißen zu lassen und auch immer schön zu schalten.
Laufradtechnisch hab ich mich dann aus dem Bauch raus für die schwerste Kombi aus Clincher-808er-Zipp vorne und Citec-Scheibe hinten entschieden. Bergauf würde das ein Nachteil sein, aber bei den vielen kleinen Gegenanstiegen hat sich die Trägheit des Rades eigentlich sehr gut angefühlt und insgesamt fühle ich mich wohl mit diesen Laufrädern. Nur bei gröberen Windböen habe ich mich beim Einfahren auf der stärker befahrenen Straße unwohl gefühlt, aber im Rennen sollte das unproblematisch sein (war es dann auch, ich hab keinen direkten Vergleich, aber ich würd es wohl wieder so machen).

Die Laufstrecke hat mich noch deutlich mehr überrascht. Ich wusste, dass sie hügelig sein wird, aber sie war nicht nur teilweise recht steil, vor allem bergauf, sondern auch auf sehr ungewohntem Untergrund.
Entgegen der Streckenbeschreibung vom Veranstalter gab es nämlich eine große Schlaufe auf frisch gemähter Wiese zu laufen - kein fester Untergrund, kein Weg, sondern sehr nasse, tiefe und unruhige Wiese (wahrscheinlich normalerweise eine Kuhweide). Ohne einen sehr flachen und direkten Wettkampfschuh gepaart mit stabilen Sprunggelenken könnte das bei hohem Tempo bergab ganz schön gefährlich werden.
Mir macht das jetzt nicht direkt Angst, aber ich war verwundert. Bei nassen Witterungsbedingungen könnte das sehr crossig werden, für einen eigentlichen Straßenbewerb untypisch.

Am nächsten Tag um neun Uhr Früh ging es bei recht kühlem Wetter für die Damen eine Viertelstunde vor den Herren los, bevor danach dann noch die Age-Grouper und die offene Kategorie losgeschickt wurden.
Ich wollte es aufgrund der zu erwartenden recht langen Renndauer von deutlicher über 3h eher defensiv angehen, beim Lauf natürlich erstmal vorne dabei sein, aber nichts überstürzen. Im Gegensatz zu Drafting-Rennen ist es hier ja nicht so taktisch. Natürlich ist es leichter, in der Gruppe zu laufen und auch am Rad zieht einen die Konkurrenz mental mit, selbst wenn man keinen Windschatten nutzt, andere Mädels aber in Sichtweite sind.
Doch man sollte es sich so einteilen, dass man möglichst gleichmäßig seine Leistung abrufen kann und nicht beim ersten Lauf schon 99% gibt.
Sehr viel wird am Rad entschieden. Man ist insgesamt auch länger am Rad als laufend unterwegs (bei der Standard-Distanz ist das recht ausgeglichen) und es fährt jeder für sich. Ich habe natürlich damit gerechnet, dass mich die herausragenden Radfahrerinnen, die zudem auch viel am Zeitfahrer sitzen und gezielt für die POWERMANs trainieren, einfach stehenlassen werden. Ich bin mit meiner Radform derzeit ganz zufrieden, wenngleich natürlich immer noch mehr gehen könnte, aber meine Körperproportionen lassen es nicht zu, dass ich in diesem Leben noch eine exzellente Zeitfahrerin werde :D Wobei die im Vergleich zur UCI-Regelung (Radsport) lockereren Regeln bezüglich Radeinstellung schon Einiges leichter machen für mich.
Ich wollte bergauf etwas mehr Energie investieren und mich auf den schnellen Bergabpassagen eher leicht ausruhen, dann den Schwung nutzen und über kleine Kuppen schnell und kräftig drübertreten. Das Ziel war, trotz streckenbedingt größerer Schwankungen in der Leistungsabgabe trotzdem sehr frequenzbetont zu treten, um beim zweiten Lauf dann noch Reserven zu haben und vielleicht die eine oder andere stärkere Radfahrerin einzusammeln.

Es kam wiedermal anders als geplant :D Das von der Britin Emma Pooley (die schonmal eine Silbermedaille bei den Olympischen Spielen und einen Weltmeistertitel im Zeitfahren aufzuweisen hat, bevor sie in den Multisport wechselte ...) angeschlagene Lauftempo war mir zu Beginn einfach zu langsam. Daran musste ich etwas ändern ... sie war die Einzige, die mein Tempo mitgehen konnte und so kam ich mit wenigen Sekunden Vorsprung vor ihr in die erste Wechselzone. Ich hatte wie eigentlich immer beim Duathlon keine Laufuhr mit, aber ich bin ziemlich sicher, dass die Strecke länger war, auch wenn die Zeit aufgrund der vielen und steilen Höhenmeter nicht besonders aussagekräftig ist.
Beim ersten Wechsel ging gleich Einiges schief - peinlich für eine Kurzdistanzlerin, aber wenn man bedenkt, dass Emma eine der schlechtesten Wechselzeiten im ganzen Feld hatte, wird klar, dass es bei längeren Distanzen einfach (in der Regel ) nicht rennentscheidend ist. Ärgerlich ist es nur, wenn einem dann genau die paar Sekunden auf eine bessere Platzierung fehlen.
Ich jedenfalls hab schonmal den Eingang zur Wechselzone verpasst, dann den Kanal nicht getroffen ... sowas passiert, wenn man ein Rennen nicht so 100%ig für wichtig nimmt.

Spaß hat es dann aber total gemacht. Die erste Radrunde bin ich mit Emma hintendran gefahren (sie hat natürlich die Windschattenbox eingehalten) und ich hab mich gefragt, ob sie einfach so zerstört nach dem ersten Lauf war (das wär ja dann beabsichtigt :D) oder ob sie einfach taktiert und erstmal abwartet. Auf der zweiten von drei Runden, beim längeren Anstieg, hat sie diese Frage dann recht eindeutig beantwortet. Auf einmal war sie weg :) Nachdem ihr Sieg eigentlich schon vorab ziemlich feststand, hat mich das überhaupt nicht irritiert und ich habe mich eigentlich nur gewundert, dass niemand Weiterer von hinten gekommen ist ...
Das Pacing am Rad war ziemlich perfekt. Die Wattwerte sind zwar nicht "wow", aber die Strecke gibt das auch einfach nicht her. Mein Knie mochte auch das harte Drübertreten über Kuppen im Wiegetritt nicht, also bin ich einfach sitzengeblieben, da wars problemlos. Fürs Laufen ohnehin besser.
Bis zum Ende der Radstrecke hat mich niemand eingeholt. Erst direkt beim Laufen über die Dismount-Line waren auf einmal die Deutsche Laura Zimmermann und die Schweizerin Nina Brenn (EM-Titelverteidigerin auf dieser Distanz, die damals noch Langdistanz hieß) da.
Beachtlich ist, dass auf der POWERMAN-Distanz die Leistungsdichte beim Radfahren vergleichbar mit jener beim Laufen auf der Standard-Distanz ist. Von 12 Starterinnen waren 9 innerhalb von 6,5min, 6 innerhalb von 3,5min. Das relativiert, dass ich insgesamt nur die sechstbeste Radzeit hatte.

Beim zweiten Wechsel ging wieder etwas schief - während ich beim Aufsetzten des Helmes schon mit dem Verschließen des Karabiners nicht zurechtgekommen bin, so ging dieser beim Absetzen nicht auf ...
Dadurch habe ich einen Platz beim Wechsel verloren, dann aber gut ins Laufen gefunden und konnte wieder auf den zweiten Platz vorlaufen und mich bergauf rasch absetzen. Die Einlaufliste schien schon ziemlich fix, doch dann hat es mir auf den der letzten Laufrunde sowas von den Stecker gezogen - Hungerast, Kältegefühl, schwarz vor Augen. Die Renndauer war für mich und meine Verpflegungsstrategie etwas zu lang und am Rad war es doch auch etwas kühl für meine Bekleidung. Die rund 600kcal Rennverpflegung waren zu wenig. Bergauf musste ich sogar ein paar Schritte gehen, die letzten Kilometer bin ich dann nur mehr irgendwie und bestimmt langsamer als lockeres Trainingstempo getorkelt. Entsprechend wurde ich dann auch von Laura Zimmermann wieder eingeholt. Ich hatte dem wirklich gar nichts entgegenzusetzen und im Ziel war ich einerseits überglücklich über die unerwartete Medaille, aber dann wars auch aus und ich bin einfach umgefallen :)
Dass es trotzdem die viertebeste zweite Laufzeit overall geworden ist, kann ich angesichts dessen eigentlich kaum glauben ... auch, wenn der Beginn gewohnt gut war.
Erst nach unglaublich vielen Orangenvierteln und einer Jacke bin ich wieder halbwegs zu mir gekommen und konnte mich so richtig freuen.

Die Siegerehrung war dann sehr emotional für mich, meine zweite Einzel-Medaille (nach Bronze bei der Sprint-Duathlon-EM 2015) und das bei einem Rennen ohne Fokus darauf - das freut mich sehr und motiviert, wenngleich ich die Platzierung lieber mit der Standard-Distanz vor zwei Wochen getauscht hätte :D Aber so ist es auch schwer ok.
Schön ist auch die Stimmung im Feld, alle Mädls sind supernett, man ist sehr kollegial und sportlich, trotz der harten Konkurrenz.

Danke an dieser Stelle auch an meine Unterstützer und allen voran auch an meinen Mann Stefan, der mich mal so übers Wochenende durch halb Europa fährt und der beste Wettkampfsupporter der Welt ist, sowie auch diese schönen Fotos macht :)

Gesamtzeit: 3:29:55h

10km+ Lauf: 40:05min (genaue Streckenlänge unbekannt)
T1: 1:26sec
64km Rad (eigene Distanzmessung): 2:00:25h (31,8km/h, NP 170W, Nonzero 168W, Average 165W - 3,17W/kg, Frequenz 92 - ok für die Hügeln, 831Hm)
T2: 1:43sec
10km+ Lauf: 46:14min (genaue Streckenlänge unbekannt)

Gesamtrang: 3. - EM BRONZE

Alle Ergebnisse gibts auf European Triathlon Union.

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