Duathlon World Championships Standard Distance Elite Targu Mures Motor Ring / ROU

Wenn man sich die Platzierung ansieht, könnte man denken, dass ich als ehemalige Weltmeisterin auf dieser Distanz nicht ganz zufrieden bin.
Bin ich aber - und das hat mehrere Gründe.

Dazu muss man wissen, dass die letzten 3 Jahre (seit Sommer 2019) für mich mental und körperlich nicht so schön waren. Begonnen hat es mit einer Verletzungsserie, die durch eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten in der späteren Pandemie länger nicht so recht enden wollte. Das hat mich im Laufen viel gekostet, aber inzwischen geht es mir wieder richtig gut und ich kann gut trainieren.
Dann war ich leider eine derjenigen, welche die Pandemiesituation mit der Angst, eingesperrt zu sein, den zig Verschiebungen und Absagen von Rennen und die gesellschaftliche Abwertung von Sportevents nicht so gut weggesteckt hat. Der Gipfel für mich war dann vergangenen Herbst in Spanien für mich erreicht, wo sich subjektiv  alles mehr um die Pandemie als um den Sport gedreht hat. Diese WM hat auch erst am dritten Termin und an einem anderen Ort stattgefunden. Ich will die Sinnhaftigkeit jetzt an dieser Stelle gar nicht diskutieren, aber mir hat das alles schon im Vorfeld eine ordentliche Gastritis beschert und im Rennen war dann buchstäblich der Tank leer - die Kohlenhydratspeicher, aber auch der Kopf. Das war nicht mehr "meine" Herangehensweise an den Sport, ich bin eigentlich ein totaler Wettkampftyp, mein Kopf war immer meine Stärke!

Dank langer Entlastungsphase und einem zunächst guten Aufbau 2022 habe ich das schließlich dann gut weggesteckt. Dann die erste Rennabsage - ein wichtiger Duathlon-Aufbauwettkampf in Frankreich, auf den ich mich so sehr gefreut habe ... seit 2019 war ich nicht mehr bei der Grand-Prix-Serie. Bitter. 
Noch bitterer war, dass ich dann selbst ordentlich krank geworden bin, inklusive massivem Eisenmangel durch das Entzündungsgeschehen. Das erste Halbjahr 2022 würde für mich gelaufen sein, dachte ich. Wochenlang war HM-Tempo mein "VO2-Max"-Training. Dank Behandlung des Eisenmangels und dem Dranbleiben im Training ging es dann doch noch bergauf - mit leider schwankender Form, die typisch dafür ist, wenn gesundheitlich bedingt ein größeres Loch in das Basistraining gerissen worden ist und man dann darauf mit Intensität und Tempo aufbaut. 
Allerdings war es auch schon immer meine Stärke, dann doch am Punkt wieder fit zu sein - wenn es darauf ankommt. Mental und körperlich. Das hab ich endlich wieder!
Natürlich muss man realistisch bleiben - ich bin mit einer niedrigen 34er-Zeit auf einem Solo-10er aktuell fast eine Minute langsamer als zu meinem Höhepunkt 2018. Darüber hinaus hat das Leistungslevel im Laufen nochmal ordentlich angezogen, die Besten sind eine Minute schneller als ich damals 2018 ... 
Den letzten Schliff gibt mir dann für gewöhnlich auch noch das Höhentraining, dafür war es in den Alpen aber zu früh im Jahr (zumindest, wenn man keinen Schnee braucht).
Damit kann man nicht den Anspruch haben, fix aufs Podium zu kommen. Aber man kann es natürlich versuchen - und ein Rennen ist erst zu Ende, wenn alle im Ziel sind.

Vor dem Start hatte ich so richtig Lust auf das Rennen. Rumänien mochte ich immer gerne - sportbegeisterte Menschen und eine nette Umgebung. Zweimal war ich schon in der Innenstadt von Targu Mures in Siebenbürgen bei der Sprintdistanz-EM, diesmal war es die WM über die Standarddistanz - mit verändertem Austragungsort, etwas außerhalb der Stadt auf dem Transsilvania Motor Ring, also einer Autorennbahn.
Ich mochte die Strecke sofort, hügelig beim Laufen, wellig und schnell beim Radfahren. Bis zuletzt hätte mir das extrem in die Karten gespielt, aber aktuell merke ich den Trainingsrückstand mehr beim Laufen als am Rad.
Mit dem Wetter hatten wir großes Glück, es war sommerlich-warm, aber Dank zwischenzeitlicher leichter Bevölkung nicht ganz so heiß wie am Vortag.
Gestartet wurde in einem subjektiv eher moderaten Lauftempo, deshalb bin ich bis zur Hälfte des ersten Laufes größtenteils ganz vorne gelaufen. So kommt man auch bei so einer großen Gruppe (Dank enormer Dichte an exzellenten Läuferinnen) gut um die Kurven und kann seine Linie wählen. Nach 2 von 4 Runden attackierte allerdings die Venezuelanerin Joselyn Brea, die Dank extrem guter Laufleistung schon im Vorjahr den Weltmeistertitel für sich verbuchen konnte. Ich wusste, das kann ich nicht mitgehen, ich hab keine 32er-Zeit auf 10km drauf. Eine immerhin 7(!)-köpfige Spitzengruppe musste ich ziehen lassen. 

Eine kleine Verfolgergruppe aus mir und der Belgierin Maurine Ricour und der Niederländerin Ann Schoot Uiterkamp kam gemeinsam aufs Rad. Ich fühlte mich ziemlich gut und es war klar, wir würden versuchen, den Rückstand auf die Führungsgruppe klein zu halten oder gar zu minimieren. Die Beine waren sogar sehr gut und rasch wurde klar, wir holen auf. Die Belgierin und ich arbeiteten ambitioniert im Wind, die Niederländerin lies die Beine hängen und verließ sich auf uns. Die Deutsche Celine Kaiser war schon beim Laufen knapp aus der Spitzengruppe rausgefallen und wurde rasch von uns eingeholt - auch sie wollte sich aber nicht an der Aufholjagd beteiligen.
Ich mag in bisherigen Rennen nicht immer die stärkste Radfahrerin gewesen sein, aber für mich ist klar - ob ich 5te oder 10te werde, ist mir relativ egal, ich will mir in erster Linie die Chance aufs Podium oder gar auf den Sieg offenhalten. Auch, wenn einige der anderen an diesem Tag die stärkeren Laufbeine hatten, so kann bei einem 2h-Rennen doch noch viel passieren. Also war es für mich klar, alles zu versuchen, die Führungsgruppe einzuholen. Und es gelang. Ich habe innerlich nicht aufgegeben, als ich beim Laufen nachlassen musste und schließlich war ich wieder ganz vorne.
Leider war die Strecke deutlich zu einfach für erfolgreiche Attacken. Vor allem die Belgierin und ich versuchten immer wieder, dem Rennen unseren Stempel aufzudrücken, aber ein Ausbruch nach vorne war uns nicht möglich. Aber es ist ein geniales Gefühl, zu wissen, dass den guten Läuferinnen und schwachen Radlerinnen jeder Antritt einfach mehr wehtut, als einem selbst. 
Leider ist dann eine sehr große Gruppe zum zweiten Lauf gekommen, da zwischenzeitlich auch noch drei weitere Athletinnen von hinten aufschließen konnten. In der Wechselzone und mit den neuen hohen Schuhen hatte ich noch ein paar Eingewöhnungsprobleme ... das Material hat sich in den letzten Jahren gewandelt und ich muss mich da erst neu einfuchsen und auch über Rennerfahrung wieder meine Routine finden. Ich brauche auf alle Fälle wieder zwei Paar Laufschuhe, das Öffnen und Schließen vom Schnellverschluss braucht einfach zuviel Zeit. Die paar Sekunden waren diesmal nicht rennentscheidend, könnten es aber beim nächsten Mal sein. 13 Athletinnen die gleichzeitig zum abschließenden 5km-Lauf kommen bedeutet einfach viel Konkurrenz.
Mein zweiter Lauf war dann leider nicht wirklich berauschend. Es war mein erster Duathlon über diese Distanz seit ziemlich genau 3 Jahren (!) und hintenraus hat es dann einfach noch gefehlt. Da bin ich noch nicht ganz dort, wo ich schonmal war und ich wieder hinwill. Das wird aber mit gutem Training und mehr Rennpraxis übers Jahr.

Ich freue mich total, dass ich meinen Fokus und meine Freude am Sport wiedergefunden habe. Ich bin gesund und kann gut trainieren, die Form wird wieder kommen. Aber natürlich fängt man mit Schwierigkeiten in der Vorbereitung einfach weiter hinten im Feld an - immerhin sind es internationale Titelkämpfe.
Schaut man sich allein meine Trainingsstatistik an - ich vergleiche immer gerne die letzten 16 Wochen vor dem Saisonhöhepunkt - so wird klar, warum ich mit meinem 7. Platz sehr zufrieden sein kann!

Die letzten 16 Wochen vor der WM:

  2018 2022  
Laufen 112:11h 92:44h -17,3%
Distanz 1428km 1159km -18,8%
I-KM (<3:30min/km) 193km 160km -17,4%
T-KM (<4:00min/km), exklusive I-KM 189km 120km -36,5%
Rad 142:26h 107:04h -24,8%
Rad-Intensität (Stundenschwelle und darüber) 669min 523min -21,8%
Kraft (2018 inkl. reinem Mobilisieren) 24h 30h +25,0%
Gesamt 278:37h 229:48h -17,5%

Man sieht, der Fokus im Krafttraining hat mir besonders am Rad sehr geholfen, das Umfangs- und Intensitätsdefizit gut abzufedern, hier war die Leistung sehr gut.
Beim Laufen braucht es wohl noch etwas Zeit und gutes Training, vor allem das Trainingsloch bei den Tempoläufen im April hat dann vermutlich dazu geführt, dass mir bei den abschließenden 5km einfach die Kraft ausgegangen ist.
Und mit den hohen Schuhen muss ich mich auch erst anfreunden lernen ...

Gesamtzeit: 1:55:49h

10km Laufen: 34:01min (40sec hinter der späteren Siegerin, 3:24min/km - 30sec/km langsamer als die Herrenspitze)
T1: 53sec (10sec schneller sind möglich)
37,5km Rad: 1:01:35h (zur Führungsgruppe aufgeschlossen, dann meist eher locker,  36,5km/h, NP 208W, Nonzero 207W, Average 184W, 102U/min - auf alle Fälle meine beste Leistung bei einer Standard Distanz in der Gruppe) - STRAVA-Link
T2: 65sec (auch hier sind 10sec noch möglich)
5km Lauf: 18:17min (58sec hinter der späteren Siegerin, ca. 3:39min/km) - hier sieht man die lange Pause von 2h-Rennen ...

Platzierung gesamt: 7.

Alle Ergebnisse gibts auf International Triathlon Union.

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