Training im Corona-Winter und Höhentraining im Run2Gether-Camp in Kenia

Die finale Saisonplanung und dementsprechend auch Vorbereitung ist in diesem Winter aufgrund der unsicheren Corona-Lage schwieriger als sonst. Dennoch sind Highlights wie die Duathlon-EM und WM dieses Jahr geplant und es ist einfach auch mein Beruf, mich mit vollstem Fokus darauf vorzubereiten.
Mein letzter Höhenaufenthalt war aber schon im Juni 2019 und normalerweise plane ich zwei solcher Blöcke (!) im Jahr.
Wenn ich also wirklich wieder in absolute Topform kommen möchte, dann ist das ein wichtiger Baustein.

Ich habe mir auch tatsächlich überlegt, ob ich überhaupt etwas über mein Wintertraining und Höhentraining schreibe – mit den vielen Einschränkungen unseres alltäglichen Lebens kommt auch viel Neid auf. Als Nationalkader-Sportlerin genießt man ohnehin schon das Privileg, Sportstätten nutzen zu dürfen, die für den Breitensport geschlossen sind. Dass Theorie und Praxis hier auch weit auseinanderklaffen, kommt  noch dazu (nur, weil ich etwa zum Krafttraining dürfte, heißt das ja noch lange nicht, dass mein normales Studio für mich öffnet). Außerdem muss man gerade beim Indoor-Training halt besonders aufpassen, wie die Rahmenbedingungen konkret aussehen.  
Aus mehreren Gründen bin ich sehr vorsichtig, was eine Ansteckung betrifft – ich hatte 2019 und 2020 zwei für mich nicht besonders erfüllende Saisonen und war gute 1,5 Jahre auch noch verletzt. Mit Mitte 30 bleiben mir jetzt auch keine Jahrzehnte mehr, um Steigerungen zu erzielen, also ist es mir wirklich richtig wichtig, gesund zu bleiben. Eine nur um wenige Prozent verminderte maximale Sauerstoffaufnahme bedeutet für mich den Unterschied zwischen WM-Gold und Verfolgergruppe, aus welcher ich es nicht mehr aufs Podium schaffe. Dazu kommt noch die Angst vor Quarantäne und die Ansteckung anderer Personen (Kunden, Familie im Haushalt).
Toll ist, dass auch die Nutzung der Laufbahn im Happyland Klosterneuburg für mich möglich ist, wenngleich ich mich an die veränderten Öffnungszeiten anpassen musste, was die Reduktion von zwei auf ein Bahntraining in der Woche für mich bedeutete. Aber auch hier hat sich jetzt eine Möglichkeit gefunden, im März wieder mittwochs und samstags die Bahn nutzen zu können. Es entwickelt sich also durchwegs positiv!

Positiv entwickelt hat sich auch meine Form. Ich konnte mit all den lockdown-bedingten Umplanungen diesen Winter auch ein paar neue, spannende Reize ausprobieren. Das kürzere, duathlonspezifische Mittwoch-Bahntraining ist entfallen und wurde praktisch mit dem fast rein lauffokusierten Samstag-Training (das früher in der Gruppe stattgefunden hat) getauscht. Ein paar kurze Sprints am Rad hab ich dennoch gekoppelt. Samstäglich standen dafür Tempoläufe auf dem Programm, meist kombiniert aus einem flachen Part und steilen Bergaufteilen. Am Nachmittag hab ich dann ein unter dieser Vorbelastung durchgeführtes Powerprofiling am Rad gemacht – die Werte lassen sich damit zwar nicht gut mit den Vorjahren vergleichen, aber dafür ist es wesentlich duathlonspezifischer. Nach vielen Jahren Leistungssport ist es oft einfach nur wichtig, Reize anders zu setzen, um den Körper dazu zu veranlassen, sich noch weiter zu verbessern.
Generell kann ich mit dem Wintertraining zufrieden ein. Für mich ist es immer schwierig, so ganz ohne Wettkämpfe die Motivation hochzuhalten. Seit März 2020 war ich nicht auf Reisen und die wenigen Wettkämpfe sind auch nur zum Teil wie erwünscht verlaufen – die Laufverletzung, die ich im ersten Lockdown auch gar nicht behandeln lassen konnte, hat sich zu lange dahin gezogen. Für die zunächst noch für November eingeplante Crosslauf-Staatsmeisterschaft wäre ich dann endlich gut in Form gewesen, daraus wurde dann aber auch nichts. 2021 wurde auch schon wieder in den Herbst verschoben ... Über Weihnachten konnte ich mich am Cyclocross-Rad sehr gut vorbereiten, aber die Staatsmeisterschaften im Jänner habe ich dann dennoch ausgelassen – mein Bauchgefühl hat für ein Radrennen im Lockdown einfach „Nein“ gesagt. Das bedeutet keineswegs, dass ich es falsch finde, dass andere gestartet sind, aber für mich ist es nicht die Hauptdisziplin und ich konnte ja trotzdem eine sehr gute Trainingsbasis für die Frühjahrs-Radrennen schaffen.
Beim Laufen konnte ich trotz 100%ig alleine absolvierter Intensitätstrainings auch meiner 2018er-Form nahe kommen, wie seitdem nicht mehr. Ich brauche zwar dann wieder ein paar Wettkämpfe, um die Form richtig zuzuspitzen - die Staatsmeisterschaften in der Halle Ende Februar waren da schonmal ein guter erster Aufbau.
Ich orientiere jetzt meine Planung, wo es möglich ist, an 2018. Da war ich bei den wichtigen Bewerben einfach immer gut in Form. Der Grundstein lag sicherlich im Höhentraining in Ruanda im Winter, da hat vor allem das Radtraining sehr gut funktioniert und klimatisch war es ziemlich perfekt. Also war die Überlegung, das fehlende Bisschen an Form auch 2021 darüber aufzubauen und jetzt in den Wochen danach kann ich sagen – es hat wirklich beachtlich gut funktioniert!
Die Trainings fallen endlich wieder mental wie körperlich deutlich leichter, die Zeiten explodieren geradezu – ich bin jetzt endlich auf 2018er-Level, wenn nicht sogar ein bisschen besser, mit soliderer Basis als damals. Es hat sich mehr als gelohnt.

Aufgrund der sich ständig wechselnden Pandemiesituation haben wir relativ kurzfristig gebucht und es war organisatorisch ein ganz schöner Aufwand. Kenia ist sehr streng bei der Einreise, akzeptiert nur PCR-Tests akkreditierter Labore, lässt einen ohne die ganzen Formalitäten und passend niedriger Körpertemperatur auch gar nicht ins provisorische Flughafen-Zelt hinein. In Zeiten, wo schnell Reisenden die Schuld zugeschrieben wird, kann ich nur sagen, dass man durch die strengen Regeln schon ziemlich zur Vorsicht gezwungen wird – einerseits positiv, weil dadurch auch die eigene Gesundheit geschützt wird, andererseits ist das alles auch mit einer immensen psychischen Anspannung verbunden, ob alles gut geht. Aber die mentale Belastung kennt man ja inzwischen auch schon von zu Hause. 
Wir haben uns schlussendlich für eine Reise ins Run2Gether-Camp entschieden, weil wir schon zweimal dort waren und daher die Umstände gut kennen (Berichte 2015 und 2016) und Kenia aktuell pandemietechnisch wirklich gut dasteht. Die Zahlen sind dort (sicherlich vor allem auch klimatisch bedingt) extrem niedrig und außerdem ist die Minimierung des Ansteckungsrisikos beim Sport in der Natur sowieso praktisch nicht gegeben. Dazu schätzen wir die Arbeit des österreichischen Vereins sehr, unterstützen einen Läufer und ein Patenkind vor Ort (man darf nicht vergessen, dass die soziale Absicherung in Afrika nochmal um Welten schlechter als bei uns in Europa ist und während wir hier schon recht deutlich unter der Perspektivlosigkeit der aufeinanderfolgenden Lockdowns leiden, so wissen viele Afrikaner durch die weltweite Krise halt wirklich nicht mehr, wie sie genug zu Essen auf den Tisch bekommen).
Eine der ersten Dinge, die wir vor Ort mitbekommen haben, war, dass wir mit unserem Besuch vor allem Hoffnung bringen. Hoffnung auf ein besseres 2021, Hoffnung auf die spätere Rückkehr des so wichtigen Tourismus. 

Nun aber zum Aufenthalt vor Ort, denn irgendwann ist diese Pandemie ja wohl auch abgeflacht und man wird das Reisen wieder richtig genießen können.
Seit unserer letzten Reise hat sich einiges verändert und zwar deutlich verbessert! Es gibt zwei neue kleine Häuser im Masai-Stil im Camp, die man mieten kann – nicht nur coronatechnisch ein riesiger Vorteil, wenn man Bad und WC gleich mit dabei hat. Preislich ist natürlich auch mit Einigem mehr als für die anderen Zimmer zu rechnen, aber immer noch im Rahmen eines normalen Hotelzimmers – zieht man die Vollverpflegung noch gedanklich ab, ist es immer noch recht günstig.
Diesmal hatten wir zum ersten Mal die MTBikes mit dabei und vorher etwas Sorgen wegen der sehr aggressiven Dornen vor Ort. Deshalb haben wir uns extrem durchstichfeste Reifen besorgt und was soll ich sagen – kein einziger Defekt in zwei Wochen! Mit modernen Tubeless-Systemen ist das sicherlich sogar nochmal robuster. Afrika und Radfahren ist also definitiv keine schlechte Kombination :)
Es herrscht praktisch freies Wegerecht, man nutzt die normalen Straßen wie zum Laufen auch – aber eine gute Federung ist auf den ruppigen Naturwegen definitiv von Vorteil. Mit dem Crosser hätte man nur unten im Flachen seine Freude, das Camp liegt aber am Hang, da macht sich das MTB sowohl bergab hinsichtlich Komfort als auch bergauf wegen der kleineren Übersetzung wirklich bezahlt.
Wenn man Ruanda (eines der wenigen Länder mit Radkultur in Afrika) mit Kenia vergleicht, dann würde ich als ganz groben Überblick mal meinen, dass die Qualität des Radtrainings in Ruanda leichter umsetzbar ist (zumindest im Norden, wo wir waren) und in Kenia das Umfeld vor allem fürs Laufen perfekt ist.
Allerdings kann man auch in Kiambogo intervalltaugliche Strecken mit dem Rad nutzen, dazu ist einfach deutlich mehr Abwechslung möglich.
Für ein reines Radcamp wäre Ruanda mein Favorit, für das Duathlontraining oder sogar eher lauflastige Programm hätte für mich definitiv das Run2Gether-Camp die Nase vorne.
Safaris oder sonstige Ausflüge haben wir diesmal erstmals nicht gemacht. Wir kennen vieles schon und das wäre einfach ein unnötiges zusätzliches Infektionsrisiko. Theoretisch möglich wäre es, die Nationalparks haben alle offen.

Von unseren bisherigen Aufenthalten gibt es schon eine Pro&Cons-Liste des Run2Gether Camps:
+ Abgeschiedenheit, Vielfältigkeit der Laufstrecken, auf denen man auch mal Zebras und Giraffen begegnet
(Update 2021: Das Dorf wächst, aber besonders mit dem Rad erkundet man immer neue, auch einsamere Regionen, was wirklich sehr schön ist!)
+ Preis (+Leistung!)
(Update 2021: Kann ich nur wieder bestätigen, Zimmer sind in ganz unterschiedlichen Preiskategorien verfügbar)
+ Standardmäßig Guides bei jedem Lauf, die sich nach den eigenen Wünschen richten 
(Update 2021: Das hat sich sogar noch deutlich verbessert – man kann ungestört alleine laufen oder auch mit einem Guide, der sich wirklich nochmal besser als früher wirklich sehr gut an die persönlichen Bedürfnisse und Wünsche anpasst! Nur mit dem Rad ist es – allein schon der Unfallgefahr wegen – halt schon sehr sinnvoll, wenn man mit einer zweiten Person reist, die einen dann auch beim Training begleitet)
+ Ausflüge und Safaris
(Update 2021: Möglich, aber nicht genutzt)
+ Viel Kommunikation mit Einheimischen, familiäres Zusammenleben
(Update 2021: Nach einem Jahr Social Distancing schon wirklich toll, wir haben aber dennoch das Essen immer draußen und oft alleine eingenommen, einfach zur Risikominimierung – tagsüber ist es aber so warm, dass man problemlos outdoor plaudern kann, gerade am Abend muss man sich schon ziemlich warm anziehen)
+ Doppelzimmer mit wunderschöner Terrasse und Blick auf das Tal und den Vulkan
(Update 2021: Es wurde mit den zwei neu errichteten Häusern nochmal toller!)
+ „westlichere Organisation“ (geführt durch Österreicher)
(Update 2021: Organisation vor Ort war nochmal deutlich besser, pünktliches Essen, reibungslose Organisation von Taxi, Fahrt zum PCR-Test, …)
+/- Bahn ca. 1km entfernt
(Update 2021: Hat mich mit dem Rad noch weniger gestört, bin wie zu Hause einfach hin- und zurückgefahren!)
- Bei fast jedem Lauf muss man am Schluss noch mal 100Hm den Berg hinauf (auch nach dem Bahntraining)
(Update 2021: Nach der Bahn bin ich sowieso heimgeradelt und bei anderen Läufen wars einfach ein gutes Training – nach so viel Erfahrung mit Höhentraining stellt das keine echte Hürde mehr für mich dar)
- Weite Anreise
(Update 2021: Pandemiebedingt wurde der Flugplan weltweit sehr zusammengestutzt und wer auch Wien nach Nairobi möchte, hat totales Glück, die Flugverbindungen sind aktuell top!)
- Gemeinschaftsbad und –WC
(Update 2021: In den beiden „Luxus-Häusern“ hat man eigenes Bad und WC zur Verfügung!)
- Nur drei Doppelzimmer, Mehrbettzimmer nicht so komfortabel
(Update 2021: Man muss nach der Pandemie sicherlich früh buchen, aber mit den beiden neuen Häusern gibt es mehr Auswahl)
- Wenn es kalt in der Nacht ist, keine Heizmöglichkeit im Zimmer
(Update 2021: Ist immer noch so, am Tag warm, in der Nacht ist es saukalt in Kenia :D)
- Sehr langsame Internetverbindung, zum Arbeiten untauglich
(Update 2021: Trifft überhaupt nicht mehr zu, selbst Videos lassen sich problemlos ansehen, Arbeiten ist gut möglich, Stromausfall gab es auch nur ganz kurz in unseren zwei Wochen)
+++Neu hinzufügen möchte ich folgende Punkte, da ich ja inzwischen schon viel mehr Vergleichmöglichkeiten mit anderen Destinationen in Äthiopien, Ruanda, Namibia, Flagstaff und Kühtai habe:
+ Die Höhe ist für mich nahezu perfekt, der Unterschied beim Trainingseffekt zwischen +/- 2000m und den 2400m in Kiambogo ist für mich sehr deutlich spürbar!
+ Das Essen hat sich im Vergleich zum letzten Mal nochmal deutlich gesteigert. Es ist einfach, aber deutlich variantenreicher geworden. So gab es auch zu Mittag jeden Tag ein anderes Gericht.
+ Weniger Müll in der Landschaft, Plastiksackerln sind in Kenia inzwischen genauso wie in Ruanda verboten.
- Bei uns hat es in der zweiten Woche recht viel geregnet – für die Vegetation top, fürs Bahntraining ein totaler Flop – wer darauf angewiesen ist, muss auf gutes Wetter hoffen. Auch mit dem Rad ist es bei Starkregen schnell sehr gefährlich – ich hatte bei der letzten Ausfahrt einen Sturz mit ramponiertem Schlüsselbein und Schulterdach.
+++ Kein gewinnorientierter Betrieb, der Verein fördert die Läufer und Familien vor Ort!
(Update 2021: Das ist nach wie vor aktuell und SEHR unterstützenswürdig)

Trainingsstatistik im Vergleich zu 2018:
14 Trainingstage jeweils
Laufen: 18:37h, 215,5km und 3334 Höhenmeter, davon 23km Intensität <3:40min/km (aufgrund der größeren Höhe und Bahnbedingungen bei längeren Intervallen nicht mehr möglich), Tempo 8km <4min/km
(2018: 16:20h, 191,5km und 3161 Höhenmeter, davon 18,7km Intensität <3:25min/km, Tempo nur bergab 9,5km <4min/km)
Rad: 14:40h, 168km und 3511 Höhenmeter, davon 20min Intensität >4W/kg
(2018: 16:46h, 291km und 5629 Höhenmeter, davon 54min Intensität >3,75W/kg)
4 Kraft- und Mobilitätstrainings jeweils
Gesamtumfang: 37:17h (2018: 37:06h)

Der Schwerpunkt lag also diesmal etwas mehr beim Laufen, vor allem inhaltlich bei den Intensitätseinheiten.

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