Leistungsentwicklung in Abhängigkeit des Alters und damit einhergehende Herausforderungen
Inzwischen bin ich ja in meiner 12. (!) internationalen Duathlonsaison, in welcher ich durchgehend bei Europa- und Weltmeisterschaften und den World Games mit dabei war. Ich bin Jahrgang 1986 und inzwischen nicht selten die Älteste im Startfeld. Die große Erfahrung im Sport – nicht nur im Rennen selbst, sondern auch mit dem Trainingsaufbau und dem Umgang mit meinem Körper – macht sich zwar bezahlt, ich merke aber dennoch, wie es Jahr für Jahr etwas schwieriger wird, ein echtes Formhoch zu erreichen. Ich fühle mich meist gut und gesund, kann aber nicht mehr ganz an meine Spitzenleistungen anknüpfen.
Nicht zuletzt aufgrund der Aufnahme einer neuen Ausbildung im zweiten Bildungsweg nach meinem ersten Studium, das ich vor immerhin 15 Jahren abgeschlossen habe, bleibt mir geringfügig weniger Zeit fürs Training. Ich denke aber, dass dies als Erklärung deutlich zu kurz greift, denn die intensiven Programme habe ich nach wie vor genauso mit dabei – und gerade die im Ausdauersport so wichtige Bewegungs- und Stoffwechselökonomie ist ja durch die vielen Trainingsjahre mehr als gut entwickelt. Ich denke auch, dass ich durch sukzessive langsamer werdende Regenerationsfähigkeiten dieses Bisschen weniger an Umfang auch benötige, um für intensive Trainings ausreichend gut erholt zu sein. Was dennoch abnimmt, ist die Leistung im höchsten Intensitätsbereich. Ich komme mit dem Puls nicht mehr so weit hinauf wie in früheren Jahren und ab einem gewissen Lauftempo „geht es einfach nicht mehr schneller“.
Diese Leistungsabnahme ist völlig natürlich und tritt immer dann unveränderlich auf, wenn man sein genetisches Maximum schon einmal recht gut ausgeschöpft hat. Während jemand mit 40 Jahren oder älter, der neu zum Sport kommt, noch beachtliche Fortschritte erzielen wird, so habe ich meine Höchstleistungszeit gut ausgeschöpft und irgendwann ist das auf legalem Weg nicht mehr steigerbar.
Deutlich zeigt sich dies in der folgenden Tabelle:
Hier sieht man, dass meine absoluten Spitzenjahre läuferisch 2017-2019 waren. Nach Corona konnte ich dann zumindest noch einen sehr starken Halbmarathon laufen. Ob ich die 10km umgerechnet so geschafft hätte? Schwer zu sagen. Mit Anfang 30 sind jedenfalls bei mir Alter, Trainingsalter und absoluter Fokus auf den Sport gut zusammengekommen. Die jährlichen zwei Höhentrainings haben mir dabei auch sehr geholfen.
Die VO2Max (maximale Sauerstoffaufnahme) ist ein stark leistungsbestimmender Faktor und wird beispielsweise auch mit Höhentraining versucht, positiv zu beeinflussen. Sie sinkt mit dem Älterwerden – meist beginnend um das 30. Lebensjahr herum und bei Männern um rund 10%/Jahrzehnt und bei Frauen um rund 8%. Ich habe sie nicht in allen Jahren und vor allem nie zum Zeitpunkt des Formhochs testen lassen, maximal bei der jährlichen Gesundenuntersuchung für die Sportfreigabe. Deshalb ist sie in der Tabelle nicht angeführt.
Der VDOT – ein unter Läufern gern verwendeter Vergleichswert für Laufzeiten – lässt sich hingegen für jedes Jahr recht solide errechnen. Man sieht daran, was die Leistungen über unterschiedliche Distanzen jeweils umgerechnet auf andere Standarddistanzen ergeben und kann so ein gutes Stärken-Schwächen-Profil erstellen. VDOT-Rechner findet man zu Hauf im Internet.
VO2Max und VDOT stehen in einem gewissen Zusammenhang, entsprechen sich aber nicht genau – allein schon deshalb, weil die VO2Max auf kürzeren Strecken (vor allem über 1500m) deutlich mehr leistungsbestimmend ist, als über längere Strecken wie beispielsweise dem Halbmarathon (hier zählen Ökonomie und Energiebereitstellung etwas mehr, daraus ergibt sich auch, dass der Leistungsabfall über kürzere Strecken früher eintritt, als über Längere - denn die maximale Stundenleistung nimmt weniger schnell ab).
Bei Frauen setzt der altersbedingte Leistungsabfall oft auch später ein, als bei Männern, bei denen beispielsweise das Testosteron schon in den 20ern sukzessive nachlässt. Frauen erfahren dafür später, in der (Prä-)Menopause eine viel abruptere Veränderung im Hormonhaushalt, welche sich auch auf die sportliche Leistungsfähigkeit auswirkt (dazu in einem späteren Artikel ausführlicher).
„Alterskorrigierte“ Leistungen sind natürlich immer ein wenig Spielerei und mehr oder weniger fiktiv. „Was wäre wenn“ führt im Sport selten zur Zufriedenheit. Aber es verdeutlicht dennoch, dass über unterschiedliche Streckenlängen unterschiedlich frühe Leistungseinbußen nach Erreichen des jeweiligen Hochleistungsalters zu erwarten sind. World Masters Athletics führt daher Tabellen mit sogenannten Altersfaktoren.
Einen etwas praktikableren Rechner findet man hier.
Warum es sich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen? Weil es frustrierend sein kann, (genauso) hart weiterzutrainieren und nicht nur keine Steigerung mehr zu haben, sondern sogar abzubauen. Üblicherweise ist das ja ein Alarmsignal, dass man zuviel oder schlichtweg falsch trainiert – ist das allerdings ein schleichender Prozess über viele Jahre, bei gleichzeitig überwiegend gutem Wohlbefinden und dem Gefühl, sich erholt und kraftvoll zu fühlen – dann kann es durchaus sein, dass das Training an sich das Richtige ist, es aber den altersbedingten Leistungsabfall nur verzögern, aber eben nicht kompensieren kann.
Zu akzeptieren, dass man irgendwann „nur mehr gegen den körperlichen Verfall“ ankämpft, ist nicht unbedingt leicht – besonders dann nicht, wenn man den Leistungssport zumindest semi-professionell betreibt (also auch wirtschaftlich davon abhängig ist).
Was sich aus meiner Sicht hier wirklich lohnt, ist
• sich bewusst zu machen, was man neben Bestzeiten und Spitzenplatzierungen am Sport liebt,
• sich nicht mit der (jüngeren) Weltelite zu vergleichen (dazu sind selbst manche Breitensportler versucht …), sondern sich vor Augen zu führen, wie gesund und leistungsfähig man in Relation zur Weltbevölkerung ist,
• auch die positiven Seiten dessen wertzuschätzen, dass man eben nicht um die vordersten Plätze kämpft/kämpfen „muss“,
• gegenüber einem Trainer als "mündiger" Athlet auftreten - ehrlich reflektieren, ob man das aktuelle Trainingspensum immer noch gut verkraftet, oder ob sich das durch das Älterwerden oder die Lebensumstände (Beruf, Familie) geändert hat, gegebenfalls die sportlichen Ziele anpassen,
• Trainingsreize noch gezielter setzen - schnelle Einheiten wirklich schnell (dafür aber eventuell im Umfang reduziert) und dafür aber den Stundenumfang über die Woche etwas reduzieren, um die Regeneration zu gewährleisten,
• lange Trainingseinheiten (Cortisol!) nur gezielt einsetzen, wo unbedingt notwendig - das hormonelle System ist durch Alter und Lebensumstände immer leichter aus der Balance zu bringen,
• konsequent gute Kalorienzufuhr bei langen Trainings, um Stress und Regenerationszeit zu verringern und Gewichtszunahme durch Cortisolspitzen, Muskelabbau und Heißhunger zu unterbinden,
• mindestens 1,5g hochwertiges (=körpereigenes Aminosäureprofil) Eiweiß pro kg Körpergewicht pro Tag zuführen, um trotz schlechter werdender körpereigener Produktion die Regeneration und auch die Herstellung von Hormonen nicht zu blockieren,
• mit dem Älterwerden Krafttraining - vor allem auch Maximalkraft (!) - in Relation zum Ausdauertraining ausbauen, um die Verringerung des Grundumsatzes, den Aufbau von Fett- und den Abbau von Muskel- und Knochenmasse zu verringern, und den alterbedingten Abfall des Testosterons (bei Frauen wie bei Männern) zu verzögern,
• bei Trainingsumstellungen noch vorsichtiger/langsamer vorgehen, um die im Alter erhöhte Verletzungsgefahr abzufedern, auf Bewegungsausführung (Krafttraining, Lauftechnik) besonders achten,
• penibelst beim Aufwärmen sein - immer 15-20min locker beim Laufen, je nach Verfassung der Muskulatur auch davor schon Massage mit der Faszienrolle und bei zu hohem Tonus dehnen,
• reichlich Wasser trinken, um die Gleitfähigkeit der Faszien besser zu erhalten (Urin sollte immer hell sein),
• konsequenter Verzicht auf Alkohol (verlängert die Regenrationszeiten, Abbau von Alkohol dauert immer länger), bei ausreichend Bewegung ist hingegen Süßes insbesondere um den Sport herum kein Problem,
• andere Lebensinhalte auszubauen, die Abhängigkeit vom sportlichen Erfolg zu reduzieren.