ITU  Duathlon World Championships Standard Distance Elite

Mein 2018er-Jahr würde kaum zu toppen sein, das war schon im Vorfeld klar. Der Winteraufbau für 2019 ist durchaus als durchwachsen zu bezeichnen, aber einige sehr gute Trainings, welche an die Vorjahresform gut anknüpften, waren dennoch dabei. Und ein gutes Händchen hinsichtlich des Aufbaus eines guten Leistungspeaks zum Hauptwettkampf hin hatte ich ohnehin schon all die letzten Jahre hindurch.

Das Wetter im an der Atlantikküste gelegenen spanischen Pontevedra spielte mir auch ganz gut in die Hände - eher kühl, recht regnerisch, auf der Hinfahrt von Madrid konnten wir sogar noch großzügige Schneefelder sehen.
Solange ich anziehen kann, was ich möchte (Unterbekleidung unter dem internationalen Wettkampfdress) liegen mir kühle Rennen eher noch mehr als jene in der Hitze. Ich trainiere ja auch im Winter bis auf Kraft im Studio praktisch alles draußen.

Wie im Vorbericht geschrieben fehlte mir in diesem Jahr die unmittelbare Anreise aus der Höhe, aber das war bei der Konkurrenz der Jahreszeit geschuldet vermutlich genauso.

Die Streckencharakteristik war etwas anspruchsvoller als im Vorjahr, sowohl am Rad als auch beim Laufen, aber in Grundzügen ähnlich. Die Laufstrecke führte durch die hügelige Altstadt auf historischem Untergrund und war entsprechend winkelig. Die Radstrecke führte uns spanientypisch durch viele Kreisverkehre auf schlechtem Straßenbelag auf ebenso etwas hügeliger Strecke. Richtig Steiles war aber nicht dabei.

Start-Ziel-Wechselzone befanden sich direkt im Stadion, auf der Laufbahn. Dort kamen wir auch auf jeder Lauf- und Radrunde durch, was für die Zuschauer natürlich toll ist.

Die finale Startliste war nicht ganz so gefüllt wie im Vorjahr. Ich rechnete mit einer fünfköpfigen Führungsgruppe nach dem Laufen, die zum Großteil aus vom französischen Grand Prix bekannten Gesichtern besteht. Zwei Vereinskolleginnen aus Frankreich waren ebenso darunter - es ist eine witzige Situation, wenn man beim vorherigen Rennen noch im gleichen Dress unterwegs war, jetzt aber in unterschiedlichen Nationentrikots steckt. Im Grunde ist es aber auch ziemlich egal, hier kämpft jeder ganz für sich. Es gibt schon Nationen, die explizit "Helfer" am Rad nominieren, um stärkere Läufer gut zum abschließenden Lauf zu bringen. Bei den Französinnen hatte diesmal aber jede der drei Genannten eine gewisse Chance aufs Podium und würde sich somit wohl kaum in den Dienst einer anderen stellen.
Nur Absprachen hinsichtlich Attacken am Rad sind natürlich einfacher, wenn man eine Sprache spricht (welche die anderen nicht verstehen können). Aber im Großen und Ganzen ist es doch mehr eine Einzel- denn eine Teamsportart.

Mein Plan und meine Hoffnung war, wieder in der Führungsgruppe aufs Rad zu kommen, auch, wenn ich in diesem Jahr das Lauftempo vielleicht nicht so aktiv würde mitbestimmen können. Am Rad sollte ich die Gruppe dann nicht verlieren und möglichst wenige Körner lassen, um beim abschließenden Lauf, bei welchem ich in den letzten beiden Jahren ja doch immer gute Leistungen gezeigt hatte (das war davor eher nicht so ...) wieder vorne mitmischen zu können. Gerade die starken Radfahrerinnen Levenez und Legrand plagen sich oft beim zweiten Lauf etwas.

Generell kann man sagen, die letzten 2% der Form machen wahrscheinlich weniger aus, als ein gewisses Glück im Rennverlauf. Und nicht zuletzt die Rennerfahrung bei den internationalen Meisterschaften spielt mir sicher in die Hände.

Kurz vor dem Start kam dann so richtig die Sonne raus und ich konnte gerade noch rechtzeitig das - erlaubte - langärmelige Leiberl ausziehen. Die Kompressionssocken behielt ich sicherheitshalber wegen der muskulären Probleme vor ein paar Wochen an und am Rad könnte es ja immer noch kühl werden.

Auf den ersten Metern nach dem Startsignal verlor ich dann fast meinen Schuh, da mir eine Konkurrentin draufgetreten war ... das kurze Stehenbleiben und Wieder-Anziehen ist mental eine kleine Challenge, wenn einem beim Saisonhöhepunkt das gesamte Feld vor den Augen davonzieht. Die verlorenen Sekunden auf dem ersten halben Kilometer wieder aufzuholen tut dann doppelt weh, besonders, wenn das Tempo wie immer beim Duathlon ziemlich hoch ist ... dennoch merkte ich bald, dass meine Laufbeine sehr gut an diesem Tag waren und die noch kühleren Temperaturen im Schatten waren perfekt für mich.

Sandra Levenez verschärfte wie zu erwarten war an der Steigung zur Altstadt hin auf jeder Runde das Tempo und schlussendlich konnte nur mehr ich ihr folgen. Weitere Attacken waren also nicht nötig, ich konnte sie die Arbeit machen lassen, die Führungsgruppe klein zu halten. Dass sie nur aus uns beiden bestehen würde, war so von meiner Seite nicht erhofft, da man sich ja doch leichter abschütteln lassen kann, als wenn drei, vier oder gar fünf Mädls gemeinsam am Rad fahren und kreiseln.

So war es mein absolutes Ziel, den ersten Wechsel nicht zu versauen und wirklich mit Sandra gemeinsam aufs Rad zu kommen. Auf den letzten Metern des ersten Laufes verschärfte ich das Tempo noch ein wenig, um auch sicher vor ihr aus der Wechselzone zu kommen. Mit einem sehr guten Wechsel schaffte ich das auch und wir gingen zu zweit auf die Radstrecke.

Dort lief es dann nicht so ganz nach meiner Vorstellung (ich wiederhole mich, ich weiß ...) - das schnelle Laufen mit der Beschleunigung am Schluss hat mich mehr Körner gekostet als erhofft und meine Reserven waren nicht ganz so ausgeprägt wie im Vorjahr. Die Strecke hatte ich auch nur am Vortag bei der offiziellen Befahrung besichtigt und nicht noch ein zusätzliches Mal alleine zwei Tage vor dem Rennen. Den ersten Kreisverkehr verschlief ich schon einmal und musst ein kleines Loch zufahren - nicht gut. Sandra wusste genau, sie kann im Gegensatz zu mir die Strecke auch alleine fahren, mit einer guten Chance, nicht von der Verfolgergruppe eingeholt zu werden. So setzte sie schon in Runde eins von sechs alles daran, mich abzuschütteln. Am Bergaufstück gelang ihr das dann schließlich auch, ich musste leider abreißen lassen.
Die Leistungsdaten zeigen, dass ich auf Radrunde eins einfach nicht leisten konnte, was ich normalerweise am Rad kann, da muss ich wiederum mehr schnelle Rad-Koppeleinheiten unmittelbar nach intensiven Läufen ohne Erholungsphase dazwischen machen.

Dann blieb mir nichts sinnvolles Anderes übrig, als auf die Verfolger zu warten. Es dauerte etwas, in der Zeit konnte ich mich gut verpflegen und etwas erholen.

Eine vierköpfige Gruppe aus meinen französischen Vereinskolleginnen Garance Blaut und Marion Legrand, sowie einer jungen Venezuelanerin und der spanischen Drittplatzierten der letzten EM waren mit dabei.

Die Hauptarbeit übernahmen zunächst die zwei Französinnen und ich, die beiden Jüngeren waren deutlich zu schwach am Rad. Deshalb konnten wir uns Dank einer Attacke von Marion auch recht bald von den beiden absetzen und waren nun nur mehr zu dritt. Eine von uns würde es somit nicht aufs Podium schaffen ...

Die zweite Hälfte des Radteils über hielt ich mich eher zurück und versuchte, die andauernden Attacken so gut als möglich mitzugehen. Für mich wäre es ein Vorteil, gemeinsam zum abschließenden Lauf zu kommen, war ich doch die stärkste Läuferin von uns.
Die Leistungsdaten am Rad zeigen deutlich einen zum Vorjahr etwas anderen Rennverlauf, 2018 waren wir zu fünft in der Gruppe, dieses Jahr zunächst nur zu zweit, dann wartete ich auf die Verfolgergruppe (aus zunächst fünf und dann drei Athletinnen) und war dann überwiegend wieder defensiv, aber mit harten Antritten, die ich mitgehen musste.
Die ersten 2,5min fehlen in meinen Aufzeichnungen, da sich mein Radcomputer nach einem Schlagloch erst einmal neu hochfahren musste. 

Das gelang mir auch. Nach einem guten zweiten Wechsel ging ich knapp hinter Marion auf die Laufstrecke und konnte sie bald überholen. Der Abstand nach vorne wie nach hinten war ziemlich sicher, somit konnte ich die grandiose Stimmung auf der Strecke 5km lang voll auskosten. Ich versuchte, mich bei so vielen Anfeuerern wie möglich zu bedanken und das motivierte das Publikum noch mehr. Spanien ist für Sportevents einfach ein wirklich gutes Pflaster.

Mit der schnellsten zweiten Laufzeit des gesamten Feldes konnte ich dann die Silbermedaille nach Hause bringen.

Verglichen mit Herren war die Laufleistung halbwegs mit dem Vorjahr vergleichbar. 2018 betrug die Differenz 19sec/km beim ersten Lauf, dieses Jahr 25sec/km auf einer Strecke mit mehr Höhenmetern. Beim zweiten Lauf, ohne Druck von hinten, waren es dann allerdings rund 32sec/km langsamer als beim Herrensieger.

Natürlich ist dieser Erfolg nicht ganz so groß und emotional wie mein Weltmeistertitel im Vorjahr.
Aber man muss auch ehrlich sagen, selbst, hätte ich wieder gewonnen, so wie beim ersten Mal würde es nie mehr werden.
Und ich habe das Rennen diesmal nicht verloren, sondern eine Podiumsplatzierung erreichen können, die mich im Vorjahr schon überglücklich gemacht hätte.
Mit Sandra Levenez gibt es eine mehr als würdige Siegerin, die in Pontevedra ihr zweites WM-Gold ihrer Karriere nach einer vierjährigen Durststrecke mit einigen Enttäuschungen holen konnte. Sie läuft nicht nur hervorragend, sie ist einfach auch die bessere Radfahrerin - und das mit Jahrgang 1979. Das gibt mir doch ein wenig Hoffnung, dass ich auch noch ein paar Jahre vor mir habe, in welchen ich an meiner Radform weiter feilen kann :D

In jedem Falle habe ich mir wieder Inputs für das weitere Training und sehr viel Motivation geholt. Ich weiß, da geht noch etwas mehr :)

Gesamtzeit: 2:00:10h

10km Lauf (eher 9,8km mit einigen Höhenmetern - nur offizielle Daten, keine eigene Uhr): 33:10min (zeitgleich mit der späteren Siegerin, ca. 3:23min/km)
T1: 22sec
40km Rad (eigene Messung fehlerhaft, die ersten 2,5min fehlen): 1:09:26h (ca. 35,5km/h, NP 181W, Nonzero 173W, Average 162W, 95U/min)
T2: 27sec
5km Lauf (eher 4,9km mit einigen Höhenmetern): 16:47min (schnellster zweiter Lauf :) ca. 3:25min/km)

Platzierung gesamt: 2. - WM-SILBER

Alle Ergebnisse gibts auf International Triathlon Union.

Offizieller Video-Zusammenschnitt der ITU - folgt!

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