Trainingskonzepte

Interessierte, die hier auf meiner Seite öfters mitlesen, haben auch bisschen von meiner Trainingsmethodik – hauptsächlich vom, wie ich finde, sehr erfolgreichen Wintertraining, das ja in unseren Breiten nicht ganz so leicht umzusetzen ist - gelesen. Im Moment setze ich mich vermehrt mit Trainingstheorien und deren Effektivität – insbesondere an mir selbst – auseinander. Ich hätte natürlich nicht nur gern im Frühjahr meine gute Form.

Wenn ich mein Sportlerleben und damit mein Training chronologisch betrachte, so gab es jahrelang Leistungssteigerungen in allen ausgeübten Disziplinen. Das lag mitunter auch daran, dass ich mich früh an die langen Distanzen gewagt habe und da durch Steigerung der Wettkampfdistanzen jedes Jahr bissl etwas weiter gegangen ist. Da ist das Training gewissermaßen eine „Fleißaufgabe“ und solange man auf genügend Regeneration achtet und spezifisch genug trainiert, entwickelt man sich – zumindest war das meine Beobachtung am eigenen Körper.
Von 2013 auf 2014 habe ich im Winter das Training radikal umgestellt, Duathlontraining mit Fokus auf die Kurzdistanz. Mehr spaßhalber habe ich sogar auf 400m-Sprintbewerbe hintrainiert, nicht ahnend, dass ich in demselben Jahr sogar die Möglichkeit bekommen werde, bei meiner ersten EM zu starten (da hätte ich wohl das Sprint-Experiment gelassen und mich gleich ausschließlich auf den Duathlon vorbereitet :) ).
Trotzdem oder deswegen – wer weiß das schon so genau – habe ich damals den wohl (bisher?) größten Leistungssprung gemacht. Ich habe von Beginn meines Ausdauertrainings an immer eine Art „polarisiertes Training“ (heute nennt es sich so, gemeint ist der Fokus auf sehr lockere und sehr hohe Intensitäten, der "mittlere Bereich" wird eher ausgespart) verfolgt und dies auch bei der Umstellung auf Kurzdistanz beibehalten.
Die Unterschiede zwischen 2013 und 2014 lagen im Wesentlichen nur in der Trainingsdauer (kürzer), den Umfängen (höher), dem Anteil der Intensität (höher) und dem Krafttraining (wieder mit aufgenommen). Auch der Lauftechnik habe ich immer mehr Beachtung geschenkt.
Besonders das Radfahren betreffend war ich extrem positiv von der Wirkung meines Trainings überrascht, drei Einheiten pro Woche und eine – für mich – super Form im Frühjahr ohne jegliche Radumfänge/Trainingslager.
Mit meinem im Vergleich zu Langdistanzzeiten geringerem Gewicht und entsprechendem Trainingsschwerpunkt im Winter lief auch das Laufen sehr gut.
Gemangelt hat es eigentlich nur an entsprechender Wettkampferfahrung im internationalen Feld, aber daran wird laufend gearbeitet :)

Jetzt kommt das „Aber“. So überraschend der Sprung von 2013 auf 2014 war, so klein war er dann von 2014 auf 2015. Auch nicht unerwartet, ähnliches Training erzeugt ähnliche Leistungen. Mit etwas mehr Hintergrund an Trainingsjahren, damit auch Erfahrungen und gut getimter Wettkampfform lassen sich dennoch gute Ergebnisse erzielen. Sukzessive - kleine - Steigerungen über die weiteren Jahre reichen auch dann oft aus, um bei einem Wettkampf, bei dem "alles aufgeht" dann wirklich ganz oben zu stehen - in meinem Falle den WM-Titel zu holen!

Ich denke, so lange man Freude an seinem Training hat und man sich beständig weiterentwickelt, muss man sich kein allzu großes Kopfzerbrechen bereiten.
Je näher man zum individuellen Leistungshorizont kommt (der in der Regel unbekannt ist), desto schwieriger wird es, weitere Steigerungen zu erreichen. Da wird es dann mitunter auch experimentell, da es schwer abschätzbar ist, wie man (langfristig) auf Änderungen im Training reagiert (kurzfristig können sinnvolle Umstellungen durchaus auch mal negative Folgen haben).
Als ich nach Ende des Frühjahrs-Wettkampfblocks 2015 geschrieben habe, als neuen Reiz etwas mehr auf die Entwicklung meiner Schwelle (Exkurs: damit meine ich die messbare „maximale Stundenleistung“, sowohl am Rad als auch laufend) zu fokussieren, kamen viele verwunderte Gegenstimmen, „mein“ früheres (polarisiertes) Training wäre doch der viel „modernere“ Weg.
Ich hab es trotzdem gemacht, bzw. fließen diese Überlegungen auch weiterhin in meine Trainingsgestaltung mit ein. Aber als analytischer Mensch lasse ich mir selbst gegenüber nicht gelten, es „einfach nur auszuprobieren“, ohne einen Hintergedanken.
Mir fehlt in der (sportwissenschaftlichen) Herangehensweise meist die Individualität. Ich weiß selbst aus meinem Studium, was es bedeutet, große Probandengruppen für Untersuchungen zu finden und je mehr man vorselektiert, desto weniger Probanden bleiben am Ende übrig. Das ist ein großes Problem. Man muss also, um statistisch überhaupt irgendwas rauszufinden, viele mehr oder weniger unterschiedliche Sportler in einen Topf werfen und untersuchen. Das mögen wertvolle Erkenntnisse sein, aber auf den einzelnen Sportlerkörper mag das unter Umständen nicht immer genau so zutreffen – ähnlich wie (Neben-)Wirkungen eines Medikamentes trotz wissenschaftlicher Untersuchungen individuell sind.
Mir gefällt in dem Zusammenhang die Stärken-Schwächen-Analyse sehr gut, (als „Powerprofiling“ im wattgesteuerten Radtraining bekannt). Hierdurch wird das Training viel mehr nach individuellen Limitierungen ausgerichtet.

Dass ich eher ein Sprintertyp bin, ist nicht neu. Für „meine“ Disziplin, vorrangig den Kurzdistanz-Duathlon, brauche ich aber eine sehr gute Ausdauer und eine sehr gute Stundenleistung (um eben auch über rund 2h noch gut dabei zu sein). Das polarisierte Training hat mich auf ein verhältnismäßig hohes Level gebracht, aber – vermutlich - eben nicht weiter. Ich glaube nach wie vor, dass es ein sehr gutes Trainingsprinzip ist, nicht zuletzt, weil die meisten (Hobby-)Sportler genau entgegengesetzt trainieren und daher der Trainingsreiz neu, ungewohnt und zumeist wirkungsvoll sein wird. Auch kann ich mir gut vorstellen, dass am Rad die positiven Effekte des (teilweisen) Aussparens der Schwellenintensität noch besser sind, als beim Laufen, da die koordinative Komponente (Laufökonomie) beim Laufen noch wichtiger ist. In meinem Zieltempo sauber zu laufen lerne ich vorrangig beim Laufen in meinem Zieltempo.

Auch die Überlegung, ob man eher trainieren sollte, was einem leicht fällt oder das, zu dem man sich nur schwer motivieren kann, ist sehr interessant.
Für physisch harte aber mental gut machbare Trainings spricht eben, dass man einen starken Trainingsreiz setzen kann und man als Sportler positiv bestärkt wird. Auf der anderen Seite bereiten einen mental harte Einheiten gut auf schwierige Rennsituationen vor.
Ich habe mich in den Jahren 2015-2017 bewusst dazu entschieden, weniger das zu trainieren, was mir besonders leicht fällt (Sprints …) und die Schwerpunkte auf mental harte Einheiten zu legen (Schwellentrainings - lange Tempodauerläufe, lange/kurze Intervalle mit kurzen Pausen, (lange) gesteigerte Läufe, …). Das Ergebnis war ein recht ausgewogenes Leistungsprofil zumindest zwischen 5 und 90min. Inzwischen möchte ich auch meine Schnelligkeit wieder mehr ausbauen.

Die Schwierigkeit für mich ist auch, dass ich das Wechselspiel von Lauf- und Radtraining entsprechend koordinieren muss. Gute Laufprogramme für Läufer funktionieren unter Umständen nicht ganz so gut, wenn man ein paar Radintervalle dazwischen reinquetscht. Aus Mangel an Kontakt zu anderen Duathlon-Spezialistinnen (Geheimniskrämerei auf allen Seiten) ist es gewissermaßen auch ein Versuch-Irrtum-Experiment an der eigenen Sportlaufbahn. Rücksprachen mit namhaften Trainern haben wertvolle Inputs gebracht, die Umsetzung verlangt mir weiterhin Fingerspitzengefühl ab :)

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