Die letzten Tage vor dem Saisonhöhepunkt

Die Startliste ist online, die Strecken sind bekannt (mir seit nichtmal einer Woche … die bisherigen Daten waren nicht für die Elite-Athleten, für uns wirds nun doch ganz flach beim Laufen und sehr hügelig am Rad!) und das Tapern hat bereits begonnen.
Am Mittwoch sitze ich dann (hoffentlich :) ) im Flieger Richtung Duathlon-WM und hoffe, dass mein Rad unbeschädigt ankommt (meine größte Angst bei Wettkampfreisen).

Wenn ich mir meine Erwartungen für das Rennen am Samstag (vorraussichtlich 11:15Uhr Ortszeit, 20:15Uhr MEZ – also PrimeTime :) LiveStream eventuell hier) überlege, muss ich mit einem Rückblick auf das vergangene Sportjahr beginnen – und mit den Zielen, welche ich mir für die Entwicklung in diesem Jahr gesetzt habe.

Ziel I: Verbesserung am Rad, auch taktisch (Erfahrungen bei Radrennen sammeln) – definitiv geschafft, national konnte ich in der Damenradbundesliga für mich überraschend gut mithalten, auch das Fahren im dichten Feld und der Rennüberblick hat sich von Bewerb zu Bewerb verbessert, wenngleich es da für mich als „Neuling“ noch viel Potenzial gibt.
Interessant hierbei ist, dass ich national zu den besten Bergfahrerinnen zähle, im Duathlon aber genau da immer verloren habe.
Dafür bereitet mir Radbeherrschung und Kurventechnik keinerlei Sorgen.

Ziel II: Besserer zweiter Lauf (also höheres Level auf insgesamt 15km, bzw. über 2h-Wettkampfdauer) – mit meiner niedrigen 75er-Zeit am Halbmarathon im Frühjahr habe ich auch dies eindeutig geschafft. Duathlons gab es leider nicht viele für mich, aber auch da konnte ich immer zufriedenstellende Leistungen beim zweiten Lauf abrufen, das Rennen „verloren“ habe ich eher am Rad.

Ziel III: Noch bessere Wechselzeiten (Auf-/Absteigen Rad schneller) – das habe ich natürlich bei den Mehrfachkoppeltrainings geübt, insgesamt ist es aber schwierig, sich genau auf die Wechselzone des Höhepunktes vorzubereiten, die kennt man ja vorab nicht.

Weiters: Mobilisation (stark im Krafttraining verbessert, schlägt sich auch in besserer Radleistung deutlich nieder), Vorwettkampfernährung (noch KH-lastiger in den 3 Tagen vor Saisonhöhepunkten) und Material (neues Rennrad - fühle mich extrem wohl, noch leichtere Laufschuhe).

Aus meiner Sicht gab es keine echten Fehler in der Vorbereitung, nur Einzelheiten, die nicht ganz rund gelaufen sind (wem passiert das nicht …)
Das Krafttraining ist leider seit Herbst 2016 etwas durchwachsen (Knieprobleme bei bestimmten Übungen).
Weiters hatte ich im Frühjahr vor der Duathlon-EM etwas Probleme mit der Regeneration (extreme Wetterumschwünge, Wintereinbruch) und war dadurch vielleicht beim Rennen etwas beeinträchtigt oder nicht ganz am Leistungspeak.

Danach habe ich schon recht früh (im Juni) mit dem sehr wettkampfspezifischen Mehrfachkoppeln begonnen. Da war ich dann zunächst bisschen enttäuscht, dass ich nicht an die April-Leistungen herangekommen bin, war damals aber vielleicht sogar bissl zu früh in Form und hatte auch eine beträchtliche Anzahl an Wechseltempotrainings in den Beinen (die im Sommer wegen der Temperaturen auch nicht so hervorragend wie im Winter gelaufen sind).
Bei solchen Vergleichen muss man sich selbst immer wieder darauf besinnen, ruhig zu bleiben und "auf die Form zu warten". Nach vielen Jahren Erfahrung weiß man das (eigentlich), aber manchmal grübelt man dann doch.

Das Timing des Höhentrainings ist jetzt vor der WM sicher gewagter (Anreise am Mittwoch vor dem Rennen am Samstag), nach meiner deutlichen Halbmarathon-Bestzeit direkt nach der Rückkehr aus Äthiopien bin ich da aber zuversichtlich (ob es damals mehr mit dem guten Wintertraining oder auch mit der Höhe zu tun hatte, ist nicht zu differenzieren, jedenfalls hatte ich aber bisher nie negative Erfahrungen nach der Rückkehr aus der Höhe).
Schließlich muss man irgendwann auch vor dem Saisonhöhepunkt etwas ausprobieren, sonst nimmt man sich selbst die Chance auf Entwicklung.
In der letzten Trainingswoche hatte ich jedenfalls sowohl am Rad, als auch beim Laufen sehr zufriedenstellende Trainings, die Lust auf den Wettkampf machen und das Selbstvertrauen stärken. Das war weder vor dem Halbmarathon, noch vor der EM so deutlich der Fall.

Zusammenfassend fühle ich mich in der Form meines Lebens (wobei ich trotzdem auf weitere Steigerung hoffe :) ).
Beim Laufen bin ich mindestens auf Frühjahrsniveau und beim Radfahren auf einem Level, das ich überhaupt noch nie hatte.

Ein bisschen Statistik - die letzten 23 Wochen vor der WM:

  2016 2017  
Laufen 178:35h 154:45h -13,3%
Distanz 2104km 1870km -11,1%
I-KM (2016: <4:30min/km, 2017: <4:15min/km) 191km 222km +16,2%
T-KM (2016: <3:40min/km, 2017: <3:30min/km), exklusive I-KM 291km 307km +5,2%
Rad (+Alternativ wie Skitour, Schwimmen, beides kaum) 144:10h 190:20h +32,0
Kraft (+Stabi/Mobilisieren) 31:30h 34:15h +8,2
Gesamt 354:15h 379:10h +7,0
Wochenschnitt 15:24h 16:29h +7,0

Daran sieht man schön, dass ich das Radtraining auf Kosten des Laufumfanges forciert habe, dafür aber sowohl Intensitäts-, als auch Tempo-Kilometer beim Laufen erhöht habe.

Was mir neben dem (überwiegend guten) Training in der Vorbereitung etwas gefehlt hat, waren Aufbauwettkämpfe (der Letzte war die Berglauf-EM 6 Wochen vor der Duathlon-WM). Bei einem Termin im August ist das insbesondere im Laufen immer ein wenig schwierig – Duathlons und Laufbewerbe haben eigentlich bis auf wenige Ausnahmen Sommerpause. Eine gute Besetzung ist auch wichtig, ansonsten läuft man seinem Potenzial nur hinterher.
Beim Radfahren hat das dieses Jahr hervorragend geklappt, ich denke, 80% meiner Verbesserung am Rad ist meiner Teilnahme an der Damen-Radbundesliga zu verdanken.
Allerdings habe ich mich läuferisch zumindest im Training nicht geschont.

Nun der Blick nach vorne zum Wettkampf:
Die Startliste ist aus meiner Perspektive „ein Wahnsinn“. Ok, es ist eine WM, aber im Vergleich zum Vorjahr sind nochmal deutlich stärkere Läuferinnen gemeldet. Ich habe ein Jahr lang fokussiert trainiert, um mir meine Chancen auf „weiter vorne“ (nach dem fünften Platz 2016 wäre das Podium natürlich schön) offen zu halten. Aber es hängt  immer von Konkurrenz, Streckenauswahl und Rennverlauf (+ ein wenig Glück) ab, wie es tatsächlich ausgeht.
Bei der EM hatte ich schon etwas Nachteile durch den Drafting-Modus, aber so ist eben das Rennen. In anderen Situationen profitiert man wieder davon.

Obwohl die Radstrecke hügelig genug zu sein scheint, um rennentscheidend zu sein, so ist natürlich trotzdem der erste Lauf extrem wichtig.
Die beste Läuferin dürfte Sara Dossena mit bestätigter 70er-Zeit am Halbmarathon (zum Vergleich: Österreichischer Rekord von Andrea Mayr 71min) und niedriger 33er-Zeit auf 10 000m sein (wobei eigentlich eine niedrige 32er-Zeit vom Halbmarathon aus gerechnet drinnen sein müsste).
Weiteren 6 Läuferinnen (Sandra Levenez, Felicity Sheedy-Ryan, Emma Pallant, Sonia Bejarano, U23-Starterin Lucie Picard) inklusive mir traue ich eine niedrige 34er-Zeit auf 10km zu.
Dies dürfte (hoffentlich) die Führungsgruppe werden.

Am Rad sollte wahrscheinlich nur die junge Lucie Picard schwächer sein (wobei sie leicht genug fürs Bergauffahren ist). In jedem Falle ist mit Attacken bergauf zu rechnen und auch auf die Verfolger mit etwa der extrem radstarken Mavi Garcia ist zu achten.

Eine Taktik vorab zu entwickeln, ist schwierig. Ich habe keinen aktuellen Vergleich meiner Radleistung zu den anderen Teilnehmerinnen. Somit kann ich nur den Rennverlauf abwarten und schauen, dass ich vorne dabei bin und die richtigen Entscheidungen treffe.
Am Papier hat Sara Dossena die besten Siegeschancen, wer an ihr vorbeikommen möchte, kommt nicht umhin, ihre Beine am Rad zu ermüden.

Das Halten oder sogar Verbessern meiner Vorjahresplatzierung wird nicht einfach werden, die Dichte des Starterfeldes lässt ein wirkliches spannendes Rennen zu.
Ich versuche, mich mehr auf das Ausreizen meiner derzeitigen Leistung zu konzentrieren, ein gutes Rennen mit einem starken zweiten Lauf, der vielleicht noch die Platzierung verbessern kann, abzuliefern. Mit einer 70er-Zeit am Halbmarathon kann ich einfach nicht konkurrieren, egal, wie sehr mir die Strecke liegt oder nicht liegt.
Aber ich weiß, dass ich mich im letzten Jahr läuferisch, aber vor allem am Rad weiterentwickelt habe und sicher mehr aus mir herausholen kann als 2016.

Jetzt müssen nur alle Daumen gedrückt werden, dass sich die massiven Waldbrände in Kanada beruhigen und die Luftqualität halbwegs wettkampftauglich wird.

Ich werde berichten :)

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